Island
Island! Gückliche Scholle, gesegnete reifweisse Mutter,
Wo sind dein uralter Ruhm, Freiheit und Mannesthat hin?
Alles auf Erden vergeht und der Tag deiner' Herrlichkeit leuchtet
Gleich einem Blitz in der Nacht fern aus entschwundener Zeit.
Schön war und prächtig das Land und schneeweiss die Gipfel der Berge,
Heiter der Himmel und blau, schimmernd erglänzte das Meer.
Da kamen ruhmvoll die Väter, die Freiheitshelden, gezogen
Fern aus dem Ost übers Meer hierher zum Lande des Glücks;
Grundeten Höfe und Häuser im Schoosse der blühenden Thäler,
Wuchsen an Stärke und Ruhm lebten zufrieden und froh.
Hoch auf dem Lavagefilde dort wo noch die Oxará nieder
Stürzt in die Almannagjá, hielten ihr Althing sie ab.
Dort war's, wo Thorgeir einst stand, als das Volk sich zu Christo bekannte,
Dorthin kam Gissur und Geir, Gunnar und Hédinn und Njáll.
Da ritten Helden durch's Land und prächtige Schiffe zum Strande
Steuerten Männer volll Mut heimwärts mit Gütern beschwert. —
Nie aber bleiben wir steh´n auf dem nämlichen Standpunkt, wir Menschen -
Vorwärts müssen wir stets, soll's mit uns rückwärts nicht gehn.
Was nun ist unser Gewinn, erworben in sechshundert Sommem ?
Haben, durchmessend die Bahn, glückliches Ziel wir erreicht ?
Schön ist und prächtig das Land und schneeweiss die Gipfel der Berge,
Heiter der Himmel und blau, schimmemd und glänzend das Meer.
Doch auf dem Lavagefilde, dort wo noch die Oxará nieder
Stürzt in die Almannagjá, hält man das Althing nicht mehr.
Nun ist des Snorri Behäusung ein Schafpferch und blau wird von Beeren
Jährlich der Hügel des Rechts, Kindern und Raben zur Lust.
0 du junges Geschlecht und Islands erwachsene Söhne
So sank der Vorfahren Ruhm in der Vergessenheit Grab.
Lehmann-Filhés. M. (1894).